Dr. Heinz Schilling • Professor für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main

|Aufsätze|



Heinz Schilling
Heimat und Globalisierung
Skizzen zu einem ausgreifenden Thema



Globalisierung ist, wenn sie hier zuhause ankommt, und …
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wenn unbewohnte Häuser in den Himmel wachsen



wenn die Heimat eine neue Adresse aufgeklebt bekommt und dann versteigert wird



wenn Konzerne funktionsfähige Fabriken schließen



wenn Fremdheitsgefühle in der Heimat entstehen



wenn gegen sie Gläser gefüllt werden

Das anthropologisch Spannende am Thema Heimat und Globalisierung ist nicht eine wörtliche "Spannung" zwischen beiden Begriffen, auch nicht die Evidenz der Antagonismen (klein : groß; eng : weit; nah : entfernt).
Heimat wird von Globalisierung in Frage gestellt; steht Heimat unter Legitimationsdruck? Sich damit zu beschäftigen, darin ein um sich greifendes Thema zu erkennen, empirisch bekannte und längst zu Ende erklärte Fakten neu zu kontextualisieren - dies scheint mir eine veritable Herausforderung. Wenn im folgenden Aufsatz "Heimat" als unabgeschlossener Prozess gesehen wird, dann beginnt der Blick auf aktuelle Veränderungen, die man dem Phänomen "Globalisierung" zuschreibt oder nachsagt, zunächst mit Bestandsaufnahmen: Welche Chancen der Wesensverwirklichung hatten, nutzten, sicherten Menschen während ihrer Lebenszeit in einem je gegebenen Raum? An dieser Bilanz zu spiegeln sind sodann aktuelle Veränderungen, die in den Haushalt menschlicher Bedürfnisbefriedigungen eingreifen oder sich als Zumutungen präsentieren. Wie wirkt ein Modernisierungsprozess, der einem fernen, weder überschau- noch kontrollierbaren Akteur namens Globalisierung zugeschrieben wird, auf menschliches Leben in einem Zuhause irgendwo auf der Welt ein? Wie durchdringt er mit neuen Logiken und Praktiken das Alltagsleben: Existenzsicherung, politische Partizipation, Kommunikation und Zusammenleben, gesellschaftliche Werte und Bedeutungen? Unser Umgang mit Raum und Zeit beispielsweise unterliegt als Bedeutungssystem einer geradezu tektonischen Verschiebung.
Was bislang vornehmlich als ökonomischer Trend wahrgenommen werden wollte oder sich als technischen Innovationsschub ausgab, das verändert - so meine These - Kultur mehr als nur oberflächlich. Und Heimat? Entsteht hier - wieder einmal - ein Fluchtpunkt von Nostalgikern, oder kann man von einem symbolischen Territorium sprechen, das fundamentale Bedürfnisse unangetastet lassen soll: physische Sicherheit, soziale Anerkennung, geistige Herausforderung? Am Puls der Stimmungen machen sich die Idyllmedien unserer Tage anheischig wie nie zuvor, Heimaten zu erfinden. Sich eingeschlossen.

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Heimat und Globalisierung

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